Schießausbildung – eine Betrachtung
Bis Mitte der Siebziger-Jahre lief die Schießausbildung der behördlichen Waffenträger – nicht nur in Österreich – nach Kriterien des sportlichen Schießens ab.
Vornehmlich einhändiges Schießen, meistens auf Kreisringscheiben und eine verbogene und instabile Körperhaltung, den Verfassern ist noch die damals propagierte „Fechterstellung“ in Erinnerung, auf hellerleuchteten Sportschieß-ständen, waren das „Nonplusultra“. Wenn sich dann einer von 10 Schüssen im Zentrum befand, war das schon ausreichend. Schlechte Lichtverhältnisse beim Waffengebrauch, Deckungsverhalten, richtiges Erkennen des Zieles, etc. waren kein Thema.
Nachdem dann zu dieser Zeit aus den USA kommend, das „Combatschiessen“ in Europa bekannt wurde, kam es zuerst zögernd, dann aber immer schneller, auch hierzulande, durch engagierte Beamte auf privater Basis zu Versuchen der Abhilfe. Nachdem in Vorarlberg die Interessengemeinschaft Schießkeller Kennelbach seit 1976 in ihrem Schießkeller das praxisbezogene Schießen in den Vordergrund stellte und auch in anderen Bundesländern diese Schießpraxis Fuß fasste, konnten sich die betroffenen Vorgesetzten diesem Thema nicht länger entziehen. Seit Beginn der Achtziger-Jahre wurde auch die behördliche Schießausbildung in kleinen Schritten in die richtige Richtung gebracht. Der Umbau des damals noch recht neuen, aber nach sportlichen Kriterien errichteten Exekutivschießstandes in Koblach/Vorarlberg zeugt davon.
Nach der Schießgrundausbildung des Waffenträgers sollte er vorrangig zur sicheren und präzisen Abgabe des Schusses befähigt sein. Richtige Körperhaltung, entsprechendes Abzugsverhalten in Verbindung mit dem richtigen Ergreifen der Waffe, auch beim Ziehen aus dem Holster, in beidhändigem Anschlag ohne Vernachlässigung des einhändigen Schießens mit der starken und der schwachen Hand, sind die Voraussetzung zur Überleitung in die weitere, praxisbezogene Schießausbildung.
Mehrere Punkte müssen dabei in Betracht gezogen werden:
1. Entsprechendes Scheibenmaterial. Das Nonplusultra wäre die Verwendung der farbigen realitätsnah gestalteten Figurenscheiben. Die hohen Kosten rechtfertigen aber nicht deren laufende Verwendung. Sie sind aber für die taktische, situationsbezogene Schießausbildung unabdinglich. Bei der Verwendung anderer Zielscheiben, egal, ob vereinfachte Figurenscheiben oder verschiedene Formen der Geometrie, ist aber darauf zu achten, dass die Zielfläche dunkel ist. Weiße DIN A4 Blätter, auf die Scheibenunterlage geklammert, sind ja einfach und preiswert und mögen in der Grundausbildung hilfreich zum Erkennen der Trefferlage sein, sind aber für die praxisbezogene Ausbildung nicht geeignet. In der Realität ist die Zielfläche fast immer im dunkleren Bereich angesiedelt, auch in den wenigen Fällen, in denen strahlendes Sonnenlicht oder die Bestrahlung durch Scheinwerfer erfolgt, zumal bei uns Täter in einem weißen Nachthemd oder mit landestypischer Bekleidung bei morgenländischer Herkunft doch eher selten sind.
2. Schießausbildung bei schlechten Lichtverhältnissen bis hin zur völliger Dunkelheit unter Verwendung einer Lichtquelle. Auch das ist die Realität bei einem allfälligen Schusswaffeneinsatz. Hier haben auch ansonsten gut ausgebildete Waffenträger, die nur unter den normalen Lichtverhältnissen eines Schießstandes trainiert wurden, erhebliche Probleme.
3. Das Schießen mit beiden geöffneten Augen ist zu trainieren. Es ermöglicht dem Waffenträger in Konfrontationen durch eine 180 Grad Sehwinkel einen weit größeren Überblick über das Szenario. Seitliche Beeinflussungen oder gar Bedrohungen können schneller wahrgenommen und eingeordnet werden.
4. Die Ausbildung zum richtigen Einnehmen von Deckungen ist ebenfalls intensiv durchzuführen. Geschützt durch eine Deckung in einer Konfrontation mit einem Schusswaffengegner ist lebenserhaltend. Nur, nicht jede Deckung bietet auch Schutz. Das Niederwerfen hinter einem Sofa oder einem Möbelstück sieht im Film ja ganz gut aus, aber bietet gegen großkalibrige Faustfeuerwaffenmunition keinen Schutz, eben so wenig wie das Blech und die Verglasung eines Kraftfahrzeuges. Wegen der Übersicht sind Deckungen, in denen tief geduckt werden muss, nach Möglichkeit zu meiden. Eine Ausnahme bildet hier nur die Motorhaube eines Pkw, hinter der man durch den Motor in einem gewissen Maß geschützt sein wird. Es ist zu beachten, dass bei einer Änderung der Situation eine augenblickliche Standortveränderung unter Beibehaltung der Kampffähigkeit erforderlich sein kann. Auch die Sicht in Richtung Gegner darf niemals aufgegeben werden. Innerhalb von Sekunden kann dieser Maßnahmen setzen, die ihm die Überlegenheit sichern. In tiefer Hocke oder gar liegend und blind in Richtung Konfrontation kann der Gegner schneller „über“ einem sein, als einem lieb ist.
Vorliegende Kurzbetrachtung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, aber die angeführten Punkte
Zielmedium, Lichtverhältnisse, Sichtwinkel, Deckungsverhalten
sind bei einer zielführenden Schießausbildung elementar. Diese Erkenntnisse haben die Unterzeichneten, in bis zu fast 40 Jahren als Gendarmerie- und Polizeibeamte im Außendienst, in weit über 20-jähriger Tätigkeit als Schieß-, bzw. Einsatztrainer und als eine der Initiatoren der Interessengemeinschaft Schießkeller Kennelbach der Exekutivbeamten erfahren dürfen. Sie hoffen, dass diese Punkte weiterhin in die Ausbildung von Waffenträgern jeglichen Hintergrundes einfließen werden, zur Sicherheit eines jeden, der die Interessen unseres Gemeinwesens mit der Schusswaffe und unter Einsatz seines Lebens und seiner Gesundheit vertritt.
Helmut und Karl-Heinz Rösler